Sicherheitsstatus der Q‑Abflugverfahren via POBAM fraglich
Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) will von Risiken nichts wissen
Eine Situation, in der sich Luftfahrzeuge auf Kollisionskurs zu sehr annähern, nennt man einen potentiellen Konflikt. Die Zahl der Konflikte ist bei den Q‑Abflugverfahren um ein Vielfaches höher als bei den Z‑Abflugverfahren. Daher ist ein Steiggradient von mindestens 10 % (Steigrate 610 ft/NM) gemäß DFS GmbH zwingend erforderlich. Wird der Steigflug bis Flughöhe 3050 m nicht mit mindestens 10 % durchgeführt, erhöht sich das Konfliktpotential zusätzlich. Deshalb warnte die DFS GmbH im Januar 2011 aufgrund ihrer Simulationsergebnisse, daß eine ordnungsgemäße Betriebsdurchführung nicht mehr gewährleistet ist. Auch eine Sicherheitsbewertung, die eigentlich einen weiteren Vorschlag zu nicht ICAO konformen Abflugverfahren untersuchen sollte, bescheinigte einigen vom BAF bereits verordneten Abflugverfahren erhebliche Sicherheitsmängel. Zudem hat die Stadt Mittenwalde in der FLK mit einer eindringlichen Warnung an die DFS GmbH, das BAF und die Landesluftfahrtbehörde auf die Kluft zwischen Verordnung und Umsetzbarkeit hingewiesen.
Zitat: DFS GmbH, Vortrag zur 71. Sitzung der FLK, S. 22
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Zitat: BAF, Aktenzeichen LFR/1.3.10/0013/11, Festlegung von Flugverfahren für BER, S. 64/65
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„Abflugrouten für Abflüge bei Ostwindwetterlagen von der Südbahn [...] Die Simulationsauswertung ergab bei [...] frühem Abdrehen nach Süden und danach Westen ein um 72% höheres Konfliktpotential mit den anfliegenden Luftfahrzeugen im rechten Gegenanflug gegenüber einem längeren Geradeausflug. Eine ordnungsgemäße und flüssige Betriebsdurchführung ist durch die Erhöhung des Konfliktpotenzials nicht mehr gewährleistet.“ |
„Von der südl. Piste in BR 07 zum Punkt LULUL [...] Die DFS hat dieses Verfahren im Rahmen der am 26.09.2011 vorgestellten Optimierung durch ein noch früheres Abdrehen nach Süden sogar noch geringfügig verbessern können. Es wird zwar nach Ermittlungen der DFS zu betrieblichen Einschränkungen bei Anflügen kommen können, die regelmäßig nicht mit einem kontinuierlichen Sinkflug zur Landung gebracht werden können.“ |
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Wie sieht es nun im praktischen Flugbetrieb aus? Seit Juni 2021 sind die Probleme offenkundig. Abweichungen von der Mindeststeigrate und vom Flugweg sind zur alltäglichen Unsitte geworden. Es kommt zu potentiellen Konflikten, die notgedrungen in einem abrupten Ausweichmanöver enden. Die Auswertung der Flugverlaufsdaten zeigt, daß der Steigflug nicht wie vorgeschrieben mit mindestens 10,0 % (610 ft/NM) durchgeführt wird. Viele unterschreiten diesen Mindestwert sogar mehrfach. Die seitliche Abweichung vom Sollflugweg ist teilweise so groß, daß nach dem Start der vom BAF genehmigte Korridor des Abflugverfahrens nahe Waltersdorf verlassen und dabei im Umkreis um den Antennenmast auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen die für alle Flüge nach Instrumentenflugregeln geltende Mindesthöhe unterschritten wird. Über 95 % der Abflüge via POBAM befolgen die Q‑Abflugverfahren nicht!
Immer wieder wird beim BAF darüber Anzeige erstattet. Doch dort ist man mehr damit beschäftigt, nach Ausflüchten zu suchen, anstatt Verstöße gegen Luftverkehrsregeln als Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen. Eine Fach- und eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim BMDV über das Gebaren des BAF führten bislang nicht zu einer Besserung, auch weil das BMDV es bei der Prüfung des geschilderten Sachverhalts offenbar an Sorgfalt und Expertise mangeln ließ. Zusätzlich informiert Mittenwalde die betreffenden Fluggesellschaften über die Auswertung ihrer Q‑Abflüge.
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